Corona-Zeit an der Waldorfschule Dietzenbach


von Andra Zeylmans

Manches was uns im Schulalltag ganz normal erscheint, bekommt in „Corona-Zeiten“ eine ganz neue, besondere Bedeutung:

Welche Freude für die Schüler, wenn der Klassenlehrer sie an ihrem Gartenzaun besuchen kommt! Gerade wenn die Schule und der Lehrer vermisst werden, wird ein solcher „Hausbesuch“ zu einem noch größeren Ereignis. Wie viel gibt es da zu erzählen und wie glücklich sind die Kinder, wenn dann „ein Stück Schule“ auf diese Weise zu Ihnen nach Hause kommt!

Die geplante Hausbau-Epoche der 3. Klasse muss nun zum größten Teil zu Hause stattfinden. Mit großer Dankbarkeit widmen sich nun die Schüler/innen und Eltern gemeinsam der Aufgabe, ein eigenes kleines Haus gemeinsam zu bauen. In einer Zeit, in der man gezwungen ist, sich in seine eigene, unmittelbare Umgebung zurückzuziehen, bekommt man die Möglichkeit, sich eine solche „Hülle“ kreativ zu gestalten, sich seinen ganz eigenen Raum zu schaffen. Eine solche praktische Aufgabe schweißt Eltern und Kind zusammen, lässt die Kinder neben den vielen Arbeitsblättern mit den Händen etwas tun, gestalterische Träume verwirklichen und das in einer Zeit, in der die Künste und das gemeinsame Gestalten brachliegen müssen.

Aus den Fotos der Häuser mit den Kindern soll, als Collage zusammengestellt, ein ganz besonderes Klassenfoto aus dieser Zeit entstehen.

In vielen Klassen werden Briefe an den Klassenlehrer/die Klassenlehrerin geschrieben und nun bekommt diese Form der Kontaktaufnahme, die in unserer Zeit fast in Vergessenheit gerät, eine ganz neu belebte Bedeutung. Welche Freude, wenn die Kinder sogar eine persönliche Antwort des Lehrers im Briefkasten finden!

Eine kleine besondere Online-Ausstellung entsteht im Französischunterricht der 5.Klasse: Die Kinder gestalten „Verneinungsbilder“- „La négation en images“. Wie kann man das Prinzip der Negation in der französischen Sprache in einem Bild umsetzen? Jedes Kind findet dafür eine andere bildliche Lösung und diese Ideenvielfalt wird in der Online-Ausstellung besonders gewürdigt.

In der 8.Klasse wurden gleich zu Beginn der Schulschließung unter den Schülern Tandempartnerschaften gebildet. Immer zwei Schüler helfen sich gegenseitig bei den Aufgaben, die die Klasse von den Lehrern bekommt. Das, was schon in der Schule an Teamarbeit angelegt worden ist, bekommt nun essentielle Bedeutung und wird nochmal ganz anders etabliert und erprobt. Welche Entlastung auch für die Eltern, deren Rat man in der 8.Klasse ohnehin nicht mehr gerne einholt!

Die Kinder, die in der Schule zur Notbetreuung verblieben sind, stürzen sich mit Begeisterung auf Aufgaben im Gartenbau. Mit großer Freude und Tatendrang werden gerade ein Naturzaun und eine Altholzhecke für kleine Tiere und Insekten gebaut. Eine altersgerechte Aufgabe für die Kleinen und ein schönes Projekt, das aus der gepflegten Zusammenarbeit mit dem NABU entstanden ist.

Lehrer, Schüler und Eltern, die ein Instrument spielen oder gerne singen, musizieren seit der Schulschließung allabendlich auf der Terrasse, im Garten oder am offenen Fenster die „Ode an die Freude“ von L. v. Beethoven- ein Dankeschön an alle, die irgendwo für andere Menschen im Einsatz sind und ein bisschen Stabilität für die Nachbarn, die dann wissen: Ein weiterer Tag mit Kontaktsperre ist geschafft. Mancherorts sind schon weitere Liedwünsche an die Musiker eingegangen, sodass inzwischen ein kleines Solokonzert erklingt. Auch das ein Zeichen gelebter Gemeinschaft, wenn sich die Balkone ringsum mit einer dankbaren und frohen Zuhörerschaft beleben.

„Zusammen sind wir stark“ lautet der Beginn einer Steinkette, die nach und nach auf dem Schulhof entstehen soll. Wer an der Notbetreuung teilnimmt, wer als Kollege in die Schule kommt, wer einfach mal zwischendrin die Schule besuchen will, kann einen bemalten Stein hinzufügen. Ein weiterer schöner, verbindender künstlerischer Impuls, der uns durch diese schwierige Zeit hindurchtragen kann.

Andra Zeylmans

Mit freundlichen Grüßen